Janet Cardiff

Janet Cardiff
The Forty Part Motet (A reworking of “Spem in Alium”, by Thomas Tallis 1556)

The Forty Part Motet (A reworking of “Spem in Alium”, by Thomas Tallis 1556)

40 Lautsprecher werden zu 8 Gruppen positioniert. Aus jedem der Lautsprecher hören wir eine Stimme. Bezugnehmend auf das Prinzip der venezianischen Mehrchörigkeit, die im 16. Jahrhundert erstmals den Raum als kompositorische Konstante miteinbezog, verwendet Janet Cardiff die Motette Spem in alium (1575) von Thomas Tallis. Die SängerInnen sind nur in Gestalt ihrer Stimmen präsent. Wir hören sie sowohl singen als auch Pausengespräche führen.

Auf den ersten Blick mag die Arbeit simpel erscheinen, doch beim Zuhören entwickelt die Installation eine enorme Komplexität. Das Stück des englischen Renaissance-Komponisten wird durch die räumliche Anordnung getrieben und in diverse Klang-Konstrukte zerlegt. Der Klang wechselt vom einen Chor zum anderen, springt vor und zurück, verhallt zu einem Echo oder kulminiert im Chor aller Stimmen. Durch diese suggestive, raumkompositorische Strategie zwingt die Arbeit den Hörer zu interagieren, sein Erlebnis mitzugestalten.

Wir folgen der Musik mit unseren Füßen, variieren Distanzen und erleben eine Komposition, deren Dynamik sich mit unserem Tun permanent neu moduliert. Das Stück spielt mit unserer audiovisuellen Wahrnehmung und eröffnet durch sein integratives Prinzip einen ungewohnten Zugang zur Komposition. Das Hören der menschlichen Stimmen, ohne die Personen dabei zu sehen, erzeugt ein Spiel aus auditiver Präsenz und visueller Absenz. Immer wieder entstehen dabei Momente der Intimität, wenn wir uns einzelnen Stimmen widmen, während die 39 anderen uns umgeben. Dieser vertraute Zugang lässt uns die Stimmen auch als Menschen begreifen und uns deren physische Erscheinung imaginieren.

Cardiff untersucht in vielen ihrer Arbeiten die skulpturale und räumliche Dimension von Klang und Musik. Sie hinterlässt uns im Suchen und animiert uns, die Konventionen unserer Wahrnehmung zu hinterfragen und uns in unserer Umgebung immer wieder neu zu kontextualisieren.

Janet Cardiff, *1957
lives and works in Berlin and Grindrod, British Columbia, Kanada

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